Die Festival-Apokalypse

Festivals sind eine wunderbare Beschäftigung und für viele ein jährliches Ritual, welches in der sommerlichen Hitze zelebriert wird. Als Musikliebhaber schlägt man auf mindestens einem Festival sein Camp auf und taucht für ein Wochenende oder länger in eine musikalische Parallelwelt ab. Bislang ein wachsender Markt. In den letzten Jahren wurden demzufolge sehr viele neue Festivals aus dem Boden gestampft, unser Festivalkalender wuchs Jahr für Jahr an. Auch die kreative Pause des Fusion-Festivals im Jahr 2017 hat dazu beigetragen, denn viele der ~80.000 Festivalgänger sehnten sich nach Alternativen und wurden bei bislang kleineren oder neueren Festivals fündig. Die Fusion ist jedoch dieses Jahr mit der 21. Ausgabe erfolgreich zurückgekehrt, erneut fanden ~80.000 Festivalgänger den Weg nach Lärz – und womöglich nicht mehr zu den anderen Festivals. Bei diesen scheint nun eher Katerstimmung aufzukommen. Die letzten Meldungen klingen alles andere als positiv für die Festivallandschaft:

  • „Plötzlich am Meer“ abgesagt (Quelle)
  • „Twin Lakes“ abgesagt (Quelle)
  • „Freqs of Nature“ verabschiedet sich (Quelle)

Hinzu kommt, dass viele Festivals dieses Jahr erstmalig nicht ausverkauft sind. So gibt es für die „Nation of Gondwana“ bis zum Festivalbeginn noch Tickets. Auch das Nachtdigital, dass die letzten Jahre immer in wenigen Minuten ausverkauft war, bietet noch Tickets im Shop an. Zuletzt sei das „Garbicz Festival“ genannt, welches erheblich rabattierte Tickets über Facebook und Groove anbietet (Quelle 1, Quelle 2). Von anderen Festivals wissen wir, dass diese weit unter ihren üblichen Verkaufszahlen liegen. Dort ist die Rede von einem Rückgang bis zu 30% im Vergleich zu den Vorjahren. Wer hier falsch kalkuliert und keine Rücklagen gebildet hat, bekommt ernsthafte Probleme. Jedoch kommen nun wieder die Kurzentschlossenen ins Spiel, welche ggfs. vor Ort noch Tickets erwerben. Da die Festivals nicht mehr so frühzeitig ausverkauft sind, gibt es auch keinen Grund sich hier wie in der Vergangenheit zu beeilen. Dies verschärft die Lage womöglich.

Was sind die Gründe für diesen Rückgang? Wir können darüber nur spekulieren und sicherlich gibt es nicht nur eine Ursache dafür. Hier einige mögliche Thesen:

  • Die Festivallandschaft ist zu groß geworden und übersättigt
  • Jährlich steigende Ticketpreise (u.a. durch strengere Auflagen, hohe Gagen, weil man die Fusionpause nutzte und die Preise der erhöhten Nachfrage „anpasste“…)
  • Festivals unterscheiden sich kaum noch, Alleinstellungsmerkmale (USPs) sind nicht mehr auszumachen, Line ups ähneln sich zu sehr
  • Das bisherige Festivalpublikum wird älter, erwartet Glamping sowie familienfreundlichere Angebote und wächst einfach raus
  • Das jetzige Festivalpublikum ist eher dem Mainstream zugewandt und erwartet ein breiteres Line up

Vielleicht sind wir an einem Punkt angekommen, bei dem aufgrund der hohen Festival-Anzahl eine normale und notwendige Marktbereinigung stattfindet (so hart dies auch klingen mag, da hier Arbeitsplätze wegfallen). Früher konnte man sich jeden Sommer problemlos mehrere Festivals leisten, inzwischen sind die Ticketpreise jedoch derart angestiegen, dass man sich gezwungenermaßen für sehr wenige Festivals entscheiden muss. So sind am Ende vielleicht nur noch 1-2 Festivals in der engeren Planung. Ein rettender Anker für kleinere Festivals könnte der Zusammenschluss sein, um so einer drohenden Schieflage entgegenzuwirken.

Der Sommer 2018 läuft auf Hochtouren und wir sind gespannt, ob es noch weitere Hiobsbotschaften geben wird. Schreibt gerne einen Kommentar, wie ihr zu dieser Thematik steht und welche Gründe ihr festmachen könnt. Wir freuen uns auf eure Rückmeldung, ansonsten teilt diesen Artikel gerne in euren Kanälen.

 Photo by Edward Paterson