In 2020 entließ Behind Bars sein Release Unrequited Love in die Technowelt und gab damit ein erstes Lebenszeichen von sich. Nun zwei Jahre und eine Pandemie später kehrt er mit voller Wucht und ungebremster Energie zurück. Seine My Body EP gleicht einem technoiden Dammbruch, dessen drückende Drums unerbittlich mitreißen. Mit berauschender Geschwindigkeit und kräftigem Auftrieb versorgt uns Behind Bars gleich mit zwei amtlichen Techno Tracks auf dem eigens ins Leben gerufenen Label Süchtig. Wir haben uns mit Behind Bars aus Berlin über lange Raves, Emotionen beim Techno und die Akzeptanz der Unvollkommenheit.
Du lebst und produzierst in Berlin – was fasziniert Dich an der Stadt am Meisten?
Berlin birgt einfach einen unerschöpflichen Fundus an Erfahrungen, Orten und inspirierenden Menschen. Das ist, was hohe Lebensqualität für mich ausmacht. Dazu kommt -und das macht Berlin aus meiner Sicht einzigartig- dass jeder hier genau so sein kann und darf, wie er möchte. Das kann auch eine Kombination aus Vielem sein, was vielleicht anderswo als Widerspruch oder gesellschaftlich abgewerteter Kontrast aufgefasst wird („Wie passt das denn bloß zusammen?“) . Es gibt hier keine Widersprüche. Darum liebe ich Berlin.
Welche Emotion verbindest Du mit Techno?
Techno war für mich immer schon eher ein Lebensgefühl, also eher ein Gesamtkonzept, als eine bestimmte Emotion. Es mag total abgedroschen und vielleicht auch ein wenig utopisch klingen, aber für mich ist es immer die Idee der Freiheit, der Verbundenheit, der Gleichheit und und des freien Ausdrucks ohne der Angst vor Repressionen (oder sogar gegen Repressionen!) gewesen, die ich mit Techno verbunden habe. Die Musik ist letztlich nur ein kleiner Teil dessen, der aber dazu beitragen kann, dass sich diese Ideen ab und an verwirklichen – und zwar so, dass sie jeder spüren und für sich als wahr empfinden kann. Das ist also ganz unmittelbar für jeden nachfühlbar, der das möchte und der dafür offen ist. Unabhängig von all den diskussionsbedürftigen Themen in der Szene überstrahlen diese Momente für mich persönlich immer noch alles.
Wohin treibt es Dich nach einem langen Tour-Wochenende, um ein wenig den Kopf frei zu bekommen?
Es gibt diesen Track von Rampue, der trifft es eigentlich ganz gut: „Sonne, Park und Sterni“.
Du hast gerade auf SÜCHTIG Deine neue EP „MY BODY“ veröffentlicht. Welche Intention und welches Konzept stecken hinter den beiden Tracks?
Ich hab das Gefühl gerade durch Corona hat sich viel angestaut – es gab viel Frust und nicht die üblichen Mechanismen um sich auszudrücken und Balance zu schaffen. Gleichzeitig hat sich natürlich der Wunsch (fast eher ein Craving) nach Ausdruck, Freiheit und all den schönen Dingen die man vorher so wertgeschätzt hat ins nahezu Absurde gesteigert. Diese Energien habe ich angezapft und hab mich einfach mitreissen lassen. Das Ergebnis sind diese beiden Tracks.
Was muss für Dich ein guter Track beinhalten, wann bist Du zufrieden mit einer Produktion?
Es ist eigentlich ganz einfach: wenn ich beim Produzieren aufstehe, weil ich so Bock habe zu tanzen, weiss ich: das geht in die richtige Richtung. So wähle ich auch Tracks für’s Auflegen aus. Wenn man sich aber einen abmüht und sich darin verliert 8 Stunden lang die Snare zu tunen, aber noch keinen geilen Groove hat, ist das ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass man sich vielleicht etwas verrannt hat. Und für das „Zufriedensein“ mit einer Produktion gibts eigentlich auch eine einfache Methode: ich lasse den „fertigen“ Track ein bisschen liegen und höre ihn dann nochmal mit ein bisschen Abstand an – am besten auch auf mehreren Systemen.
Dann schreibe ich mir auf, was mir auffällt oder was ich gerne noch korrigieren möchte. Und ich schaue natürlich, ob der Track den Tanz-Test noch besteht ;). Den Prozess wiederhole ich dann, bis mich nichts Grundlegendes mehr stört – dann ist der Track fertig. An der Stelle muss man sich dann wirklich fragen: trägt das, was ich hier noch ändern möchte, wirklich zu einem besseren Gesamtergebnis bei (zB. Mixing Probleme die man beheben möchte) oder driftet man grade etwas ab und ist drauf und dran, den Track möglicherweise eher komplett umzustellen?
Das ist so frustrierend wenn man dann bei Version 20 merkt: boah irgendwie war Version 1 schon mit Abstand am geilsten! Für alle die (wie ich) da manchmal mit ihrem Perfektionismus kämpfen, möchte ich daher gerne Roman Flügel zitieren, der ganz toll gesagt hat: „Accept imperfection!“.
Was steht als nächstes für Dich an – wie sehen Deine nächsten Monate aus?
Ich bin grade dabei neues Material zu produzieren und plane schon die nächsten Veröffentlichungen. Ich würde mich aber freuen, wieder mehr aufzulegen und meine Musik auch wieder mehr auf dem Dancefloor präsentieren zu können – das war die letzten beiden Jahre ja auch eher schwierig. Aber ich bin da ganz optimistisch dass das klappt.
Behind Bars – My Body [SUECHTIG001]
https://soundcloud.com/behindbars030/sets/behind-bars-my-body-ep